Waffen bringen keine Sicherheit

Der Krieg habe die Seiten gewechselt, schreibt der Philosoph Oliver Schlaudt im Freitag. Hätten früher Konservative im Namen von Tradition und Nation Kriegstüchtigkeit gefordert, seien es heute die progressiven Kräfte, die Waffenlieferungen und Aufrüstung unterstützen. Wer sich für Frieden und gewaltfreie Konfliktlösung einsetzt, ist bestenfalls naiv, meist aber ein »Putinversteher« oder eine Antisemitin. Kriegs­tüchtig müssten wir werden, hören wir allerorts. Die weltweiten Militärausgaben waren laut Friedensforscher*innen 2023 so hoch wie noch nie. Selbst die IG Metall fordert »ein industriepolitisches Konzept zur Stärkung der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie«. Klimaziele scheinen plötzlich nicht mehr relevant, dabei wurden die verheerenden Auswirkungen der Kriege in Gaza und der Ukraine auf Natur und Umwelt bereits mehrfach bestätigt. Und das alles geschieht – angeblich – für unseren Schutz und unsere Sicherheit.

Illustration: Eva Sempere

Ich reibe mir die Augen und wähne mich im falschen Film. Gerade die aktuellen Konflikte zeigen: Waffen bieten keine Sicherheit, im Gegenteil, je mehr Waffen, umso mehr Tote. Die Opfer sind immer auf beiden Seiten. Die Folgen sind Generationen traumatisierter Menschen, zerstörte Infrastruktur und vergiftete Böden. Sicherheit sieht anders aus. Sicherheit könnte etwa heißen, Konflikteskalationen frühzeitig zu erkennen und ein Weiterdrehen der Spirale zu verhindern, gerade dann, wenn man es mit machtgierigen, menschenverachtenden und unberechenbaren Gegnern zu tun hat. Das machen Friedensforscher*innen und Friedensarbeiter*innen. Sie könnten das für einen Bruchteil des finanziellen Aufwandes, ohne Tote, Traumatisierte und katastrophale Umweltfolgen. Sicherheit könnte auch als soziale Absicherung verstanden werden: Kindergrundsicherung, ausreichende Sozialhilfe und Pensionen und endlich adäquate Klimapolitik für die Sicherheit der nächsten Generationen. Dies alles aber wird angesichts der als alternativlos geltenden Steigerung der Rüstungsausgaben gekürzt.

Schaut man auf andere Politikfelder beschleicht einen der Verdacht, dass der Schutz vor den als die »Bösen« definierten nicht der wahre Grund für die Aufrüstung ist, sondern eher zu deren Legitimation dient. Die europäische Kommission hat einen Klimaplan präsentiert, der vor allem »dem Schutz der Menschen in den europäischen Ländern und ihres Wohlstandes« dienen soll. Kurz darauf wurde die gemeinsame europäische Asylpolitik auf den Weg gebracht, die als Hauptziel hat, Menschen auf der Flucht von den europäischen Grenzen fernzuhalten. Sie schützt Grenzen, nicht Menschen. Diese Ausrichtung europäischer »Sicherheitspolitik« dürfte ohne militärische Gewalt nicht umsetzbar sein, da ist es angebracht, Krieg als reale Möglichkeit wieder in den Raum zu stellen und die Bevölkerung darauf einzustimmen. Schutz, wovor auch immer, haben wir dabei eher nicht zu erwarten. Dafür einen Wirtschaftssektor, der auch in Zeiten der Klimakrise wachsen und Profite bringen darf.

Brigitte Kratzwald

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